Archiv | September, 2015

Nach dem Krexit: Wie ich Wildbad Kreuth erlebte

24 Sept
Nicht mehr lange wird Wildbad Kreuth Bildungszentrum der HSS sein. Die Wittelsbacher haben andere Pläne mit dem historischen Gebäude. (Foto: Winderl)

Nicht mehr lange wird Wildbad Kreuth Bildungszentrum der HSS sein. Die Wittelsbacher haben andere Pläne mit dem historischen Gebäude. (Foto: Winderl)

Im Juli 2015 wurde das Aus für Wildbad Kreuth als Bildungszentrum der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) amtlich. Mein Blog erlebte in dieser Zeit einen Besucheraufschwung, denn exklusiv habe ich ein Portrait über die Eigentümerin des Gebäudes, Helena Herzogin in Bayern, veröffentlicht.

Nun heißt es also Abschied nehmen von diesem malerischen, symbolträchtigen Ort: Nie mehr wird die CSU-Riege über die TV-Geräte flimmern, wie sie vor dem verschneiten Wildbad Statements zu ihrer dortigen Klausurtagung gibt. Die große Wiese vor dem Gebäude zierte Sommer wie Winter ein blau-weißer Fahnenmast. In den Schneemassen stach sein Blau aus dem Weiß heraus – um ihn herum bibberten die Journalisten vor Kälte, wenn sie auf die CSU-Politiker vor dem Bildungszentrum warteten.

Das alles wird bald Geschichte sein – und in diesem Haus wurde sie auch schon fast geschrieben mit dem Kreuther Trennungsbeschluss zum Beispiel, der wenige Wochen später wieder zurückgenommen wurde und die CSU doch nicht von der CDU trennte. (Historisch auch, dass die Idee zu diesem Blog dem „Geist von Kreuth geschuldet ist ;))

Im August begab ich mich auf meine persönliche „Abschiedstournee“, denn der Betrieb im oberbayerischen Bildungszentrum wird schon zum Jahresende eingestellt, dessen Gast ich als HSS-Stipendiatin so gerne und oft war. Das volle Ende der Mietzeit, bis März 2016 will die Stiftung nicht mehr ausschöpfen. Noch einmal wollte ich den viel beschriebenen „Geist von Kreuth“ spüren!

„Wie ist dein erster, letzter Eindruck?“, frage ich meine Mitstipendiatin, die zum ersten Mal den langgezogenen Gebäudekomplex erblickt, nachdem sich die schmale Privatstraße nach der Steigung wieder in die Gerade windet und den ersten Blick ermöglicht. Erst als diese Worte meinen Mund verlassen haben, merke ich, dass der Techniker, der uns an der Bushaltestelle abgeholt hat, die Frage vielleicht nicht so toll finden könnte. Schließlich wird er seinen Arbeitsplatz verlieren, weil die Wittelsbacher nun anderes mit dem Gebäude vorhaben.

Letzte Anfahrt? #oberbayern #bayern #bavaria #wildbadkreuth #kreuth #herbst #sentimental #phdlife #tegernsee #zeitraffer

Ein von Teresa ohne h❕ (@teresa_ohne_h) gepostetes Video am 16. Okt 2015 um 8:20 Uhr

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Doch der HSS-Mitarbeiter ist äußerst höflich und erklärt uns, dass er und seine Kollegen uns auch gerne bei anderen Seminaren dort unten an der Bushaltestelle abholen werden. Man erspart sich schließlich so einen Fußmarsch – zum Teil eben mit einer beachtlichen Steigung – von einigen hundert Metern mit Gepäck. Ich frage mich still nach Innen, wie oft ich dieses Kleinod noch besuchen werde können…

Wo ist das FJS-Portrait aus dem Eingangsbereich?

Im Eingangsbereich hing ein Portrait von Franz Josef Strauß. Wo ist es nun? War sein Abhängen der Anfang vom Ende? (Foto: Winderl)

Im Eingangsbereich hing ein Portrait von Franz Josef Strauß. Wo ist es nun? War sein Abhängen der Anfang vom Ende? (Foto: Winderl)

Der Mitarbeiter bringt den blauen Transportwagen direkt vor der Eingangstür zum Halten. Ein Privileg, das sonst nur höhere politische Würdenträger genießen. Der Besucherparkplatz liegt unterhalb des langegezogenen Gebäudekomplexes. Die eigentliche Länge der Immobilie, die unter Denkmalschutz steht, kann man sich so erlaufen. Wir haben Sommer, aber ich erinnere mich an Seminare, da lag der Schnee im Wildbad so hoch, dass ich Mühe hatte, meinen Trolley vom Parkplatz bis zum Eingang zu zerren. Denn die Kofferräder versagten bei der Schneedecke ihren Dienst.

Ich könnte mich also sehr freuen, dass ich das letzte Stück der Anreise dieses Mal so komfortabel absolvieren konnte. Aber schon beim Betreten des Bildungszentrums kommt Wehmut bei mir auf. Links im Eingangsbereich steht eine kleine Sitzgruppe, über der immer ein Portrait von Franz Josef Strauß trohnte. Doch das Konterfei des Mannes, der einst den „Deal“ mit den Wittelsbachern ausgehandelt hatte, die Kurbadeanstalt nach ihrer Schließung im Jahr 1973 für die HSS zu mieten, ist weg. Stattdessen hängt dort eine Berglandschaft in Öl. Ich weiß nicht, ob sich das Strauß-Porträt derzeit beispielsweise nur vorübergehend in der Strauß-Ausstellung im Münchner Stadtmuseum befindet. Aber wir munkeln im Seminar später, ob das nicht bereits der Anfang vom Ende war, als der CSU-Übervater abgehängt wurde…

Kreuther-Nächte sind lang

Und noch etwas ist anders seit meinem letzten Besuch: Die Bibliothek, in der die berühmten Kamingespräche stattfinden, hat eine neue, weiße Holztür mit Glaselementen erhalten. Ein schönes Stück für dieses Zimmer, in dem ich wohl ähnlich viele Stunden, wie in einzelnen Seminarräumen verbracht habe. Denn wenn die Seminare irgendwann abends beendet sind, geht bei der HSS niemand ins Bett, sondern ins holzgetäfelte Bierstüberl im Keller. Und wenn dieses nach Mitternacht schließt, zieht man sich in die Bibliothek zurück. Ihre schwere Flügeltür wird dann nur mehr geöffnet, um sich Getränkenachschub zu holen.

Schade, dass dieses neue Schmuckstück nicht mehr lange zum Einsatz kommen wird, denke ich, als ich mich in der Nacht des ersten Seminarabends durch diese in Richtung Rezeption aufmache. Dort verkauft der Nachtportier bayerische Grundnahrungsmittel wie Bier oder Schokolade an die Nachtschwärmer in der Bibliothek. Und meist gibt es einen freundlichen Plausch oben drauf. So auch in dieser Nacht. Den „Krexit“ sparen wir beide zunächst aus. Nicht aus Desinteresse meinerseits – sondern an der Tür zur sog. Molkehalle in deren Brunnen noch heute Heilwasser fließt, klebt ein Aushang: „Wir bitten Sie darum, von Fragen und Kommentaren diesbezüglich Abstand zu nehmen!“

Dieser Aushang hängt an der Tür zur Molkehalle - die Mitarbeiter wollen nicht auf die schwierige Situaion angesprochen werden. (Foto: WInderl)

Dieser Aushang hängt an der Tür zur Molkehalle – die Mitarbeiter wollen nicht auf die schwierige Situaion angesprochen werden. (Foto: WInderl)

Naja und sogar ein Mensch wie ich hält sich manchmal an solche Bitten. Insbesondere wenn er selbst einen Klos im Hals hat, wenn er an das baldige Aus denkt. Es geht schließlich nicht nur darum, dass die HSS ein Bildungszentrum und die CSU eine prestigeträchtige Location verliert – sondern 30 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz.

Gleich beim Eingang auf der linken Seite befindet sich die Sitzgruppe, über der immer ein Bild von Strauß hing. (Foto: Winderl)

Gleich beim Eingang auf der linken Seite befindet sich die Sitzgruppe, über der immer ein Bild von Strauß hing. (Foto: Winderl)

„Hast du schon Postkarten?“, werde ich von hinter dem Tresen gefragt. Ich schaue mir die verschiedenen Motive an: Wildbad Kreuth im Winter, wie man es aus dem TV kennt zur Klausurtagung.

Wildbad Kreuth mit den Haflinger-Pferden davor – die Wittelsbacher sind ja für ihre Tierliebe bekannt. (So kam ich übrigens damals ins Gespräch mit der heutigen Besitzerin für die Reportage – ich hatte ein Auge für die herzoglichen Hunde und wusste zunächst gar nicht, wen ich da vor mir hatte.) „Nein, alle kenne ich noch nicht. Sind die neu?“

„Komm, nimm dir welche mit – gleich mehrere! Wie verschenken sie jetzt…“, sagt der Nachtportier. „Ich werde mich am Ende auch noch großzügig mit den Postkarten eindecken“, fügt er hinzu.

„Ja, wird es denn dann noch welche geben, wenn ihr sie jetzt schon so großzügig verschenkt“, frage ich. „Ach, genügend! Wer hätte denn damit gerechnet, dass…“ Den „Krexit“ brauchen wir beide nicht auszusprechen. Wir schauen uns nur an – ich nicke und füge hinzu: „Ja, wer hätte das jemals geglaubt! Ich kann es eigentlich jetzt noch nicht ganz glauben.“

Ich merke, man sollte die Mitarbeiter zwar nicht einfach auf die Situation ansprechen, aber wenn es sich im Gespräch ergibt, dann wollen sie Zustimmung!

Die HSS, die der CSU nur „nahe“ steht, vertritt trotzdem christlich-soziale Werte: Es wird sich um eine „soziale Lösung für die Mitarbeiter“ bemüht, wie es dazu seitens der Stiftung heißt.

Und wenn man mit den Verantwortlichen ins Gespräch kommt, merkt man sehr deutlich, es geht nicht um irgendeine Immobilie, die man mit dem Tagungszentrum am Tegernsee verloren hat. Es geht in erster Linie um die Mitarbeiter. Auch wenn freilich die Immobilie und die Kulisse besonders schön war.

Puristische Zimmer machten den „Geist von Kreuth“ aus

Eine idyllische Anlage - wie gemalt so schön. Hier mit einem Haflinger der Wittelsbacher vor der Wiese von Wildbad Kreuth. (Foto: Winderl)

Eine idyllische Anlage – wie gemalt so schön. Hier mit einem Haflinger der Wittelsbacher vor der Wiese von Wildbad Kreuth. (Foto: Winderl)

Die HSS ist in der glücklichen Situation, dass sie über ein weiteres Bildungszentrum in Franken, Kloster Banz, verfügt. Und dieses befindet sich (zum Glück) in Eigenbesitz der Stiftung. Einige Azubis aus Kreuth werden dort ihre Ausbildung beenden können.

Und die politische Bildungsarbeit wird darunter auch nicht leiden – schließlich haben einige politische Stiftungen gar keine Bildungszentren mehr. Die HSS möchte nach dem Krexit verstärkt in die Regionen gehen.

Bleibt nur mehr die Frage offen, vor welcher Kulisse wir künftig unseren Ministerpräsidenten während der CSU-Klausurtagung bewundern werden. Aber ich fürchte, dieses Event wird seine starken Bilder einbüßen. Falsch ist jedoch, wenn ich in den sozialen Netzwerken gelesen habe, dass die Parteimitglieder dort „luxuriös“ untergebracht worden seien. Das ist falsch: Ein jedes Zimmer ist mit schlichten Holzmöbeln – einem Schrank, einem Schreibtisch, einem Bett mit einem Holzkruzifix darüber ausgestattet. Als „spartanisch“ oder moderner gesagt „puristisch“ würde ich die Ausstattung des Bildungszentrums beschreiben. Aber auch das hat den Charme von Kreuth ausgemacht, dass man eben lieber einen Ratsch an der Rezeption getan hat, weil im Zimmer eben kein Ultra-HD-Flachbildfernseher gestanden hat.

Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vielen Dank für die schöne Zeit bei und mit euch – jede Fahrt nach Kreuth war für mich jedes Mal wie nach Hause kommen! Und so schließe ich mich dem Hashtag des RCDS Bayen an und sage leise #servusKREUTH.