„Sie kenn ich doch, Sie haben für die CDU kandidiert“, sagt der Service-Point-Mitarbeiter am Hauptbahnhof in München zu Benedikt Lika, als der sich für die Fahrt mit der Regionalbahn nach Augsburg anmelden will. „Für die CSU“, antwortet ihm Benedikt – das S in seiner Partei, das für „sozial“ steht, ist ihm besonders wichtig. Benedikt, der seit seinem elften Lebensjahr im Rollstuhl sitzt, kann nicht einfach so von seinem Wohnort bei Augsburg mit dem Zug in die Landeshauptstadt fahren. Benes E-Rolli wiegt 160kg, da braucht es eine Rampe, die ihn und sein Gefährt in den Zug bringt.
„Und er hat die Wahl auch gewonnen“, füge ich hinzu – „mit einem Spitzen-Ergebnis“, Benedikt schmunzelt bescheiden. Der freundliche Bahn-Mitarbeiter vom Service-Point begleitet uns bis zur Zugbegleiterin, die etwas motzig reagiert als sie erfährt, dass der Rolli-Fahrer mit soll: „So so, nicht vorgemeldet“, grummelt sie.
Politiker mit „Wiedererkennungseffekt“
Es stellt sich heraus, dass der Bahn-Mitarbeiter –wie Bene- aus Augsburg-Hochzoll stammt. „Das ist ja toll, jetzt kenn ich meinen Stadtrat. Wenn ich mal ein Problem hat, darf ich mich an Sie wenden?“ „Selbstverständlich“, antwortet ihm „sein“ Stadtrat.
Sein Mandat nimmt Benedikt Lika sehr ernst, schließlich haben ihm die Wähler so großes Vertrauen geschenkt, dass er von Platz 35 auf Platz 8 der CSU-Liste „vorgewählt“ wurde. „So etwas gab es in Augsburg noch nie“, freut sich der Jung-Stadtrat.
Mit gerade 32 Jahren ist er auch einer der Jüngsten im Stadtratskollegium. Ich habe viele junge Kandidaten -ebenfalls JU-Kreisvorsitzende- erlebt, die von einem viel besseren, aussichtsreichen Platz gestartet sind und weit abgeschlagen die Kommunalwahl 2014 verloren haben. „Das liegt aber auch an meinem hohen Wiedererkennungseffekt“, witzelt Bene.
Mich beeindruckt die Offenheit mit der er von seiner Behinderung und auch seiner politischen Arbeit berichtet:. „Wie viele Hände schüttelt Horst Seehofer jeden Tag? Mich hat er nach dem dritten Mal mit Vornamen gekannt.“ Dieses „Alleinstellungsmerkmal“ Rollstuhl setzt der Christsoziale geschickt ein.
Versprechen von Horst Seehofer
Über die Kulturpolitik kam der Musiker, der aus einer Künstlerfamilie stammt, zur CSU. In Augsburg ist er Stadtrat „für alle“. Mit seinem guten Draht zum Ministerpräsidenten setzt er sich v. a. dafür ein, dass Bayern zum Inklusionsland wird: „Noch am Abend der Landtagswahl hat mir Horst Seehofer versprochen, sich für das Bundesteilhabegesetz einzusetzen. Das würde auch die Richterin im Rolli betreffen, über die du kürzlich die Reportage gesehen hast.“
Geschockt habe ich Bene getwittert, als ich durch diesen Film erstmals erfuhr, dass Behinderte, die auf einen Assistenten angewiesen sind, ihr Gehalt abgeben müssen, wenn es einen bestimmten Satz übersteigt. Nach der momentanen gesetzlichen Regelung dürfen Behinderte lediglich ein „Vermögen“ von 2.600 Euro besitzen und 780 Euro pro Monat dazuverdienen. Im Fall der Richterin bedeutet dies, dass sie zwei Staatsexamina höchst erfolgreich bestanden hat, aber ein Einkommen wie ein Hartz 4-Empfänger hat.*
WWM-Gewinn ging für Taxifahrten drauf
Auch Bene, der blitzgescheid und einen Uni-Abschluss hat, hat so schon ein kleines „Vermögen“ verloren: 16.000 Euro gewann er vor ein paar Jahren bei „Wer wird Millionär“. Davon hat er nichts mehr und lacht: „Durch den Gewinn verlor ich den Anspruch auf einen Assistenten. Ich musste von da mit dem Taxi zur Uni fahren. Die 16.000 Euro habe ich quasi für’s Taxifahren ausgegeben.“
Ob er sein Stadtrats“gehalt“ behalten darf, ist noch nicht sicher: „Je nachdem, ob es als Lohn oder Aufwandsentschädigung eintaxiert wird.“ Aber Bene, der gläubiger Christ ist und somit ein gesundes Gottvertrauen hat, ist optimistisch. Horst Seehofer hat ihm schließlich etwas versprochen und er wird nachfragen, wenn er ihn beim nächsten Mal sieht.
Bene ist wie jeder andere junge Mann, er feiert gern und möchte nicht anders behandelt werden, nur weil er im Rollstuhl sitzt. Er glaubt, das sei eine Erziehungssache: „Mit meinen drei Brüdern habe ich Fußball gespielt, die haben mich ins Tor gestellt und draufgeboltzt, da wurde auf meine Behinderung keine Rücksicht genommen.“ Inklusion ist ein hochaktuelles politisches Thema. Benedikt war immer schon „integriert“. Freunde im Rolli hat er keine, weil er eine „normale“ Schule und Uni besucht hat.
Jeder sollte einen Bene_Li kennen
Als Bene mit seinem Rolli im Zug sitzt hofft er, dass dieser auch pünktlich abfährt. Denn in Hochzoll werde der Lift um 23h ausgeschaltet. Ich schaue auf die Uhr, zwei Minuten Verspätung hat der Zug bei Abfahrt – nicht wegen Bene. Ich fahre nach Hause, aber mit deutlich anderen Augen wie zuvor. Ich denke mir, jeder Deutsche sollte einen @Bene_Li in seinem Bekanntenkreis haben, um so zu sehen.
Gleichbehandlung bei der Bahn: Fehlanzeige
Die Tram stellt für mich kein Hindernis dar, Bene konnte nicht auf die Hebe-Rampe fahren… Wenigstens Zugfahren kann er ohne Probleme, denk ich mir, das mit der Rampe ging dort ratz-fatz. Der Blick auf’s Smartphone belehrt mich eines Bessern: Bene twittert:
Fazit: Behandelt werden wie jeder andere ist etwas anders.
Wir in Bayern/ Deutschland haben noch einen weiten Weg zum Inklusionsland. Aber mit Politikern wie Benedikt, könnte dies gelingen!
*Wer die momentane gesetzliche Regelung auch ungerecht findet – unterzeichnet diese Petition zum Teilhabegesetz.