Archiv | Oktober, 2011

Unfehlbarkeit des Papstes: Oft falsch verstanden

31 Okt

Die Unfehlbarkeit des Papstes ist es, die nicht nur von Kirchengegner, sondern auch von Gläubigen oft falsch verstanden wird.

Denn nicht alle Äußerungen des Papstes sind unfehlbar – unfehlbar sind grundsätzlich nur Äußerungen in Glaubens- und Sittenfragen. Also können z. B. Meinungen über Politik, wenn etwa der Papst die Verfolgung von Christen in totalitären Staaten kritisiert, nie unfehlbar sein.

Außerdem muss der Papst, das Oberhaupt der katholischen Kirche, ankündigen, dass er eine unfehlbare Entscheidung verkündet – er muss dann „ex cathedra“ sprechen. Er spricht dann von der Kathedra Petri aus, also seinem Bischofssitz in Rom.

Wörtliche Definition in „Pastor Aeternus“

In der dogmatischen Konstitution „Pastor aeternus“, in der die Unfehlbarkeit im 4. Kapitel definiert ist, heißt es wörtlich:

Wenn der römische Bischof „ex cathedra“ spricht, das heißt, wenn er in Ausübung seines Amtes als Hirte und Lehrer aller Christen kraft seiner höchsten Apostolischen Autorität entscheidet, da[ss] eine Glaubens- oder Sittenlehre von der gesamten Kirche festzuhalten ist, dann besitzt er mittels des ihm im seligen Petrus verheißenen göttlichen Beistands jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei der Definition des Glaubens- oder Sittenlehre ausgestattet sehen wollte; und daher sind solche Definitionen des Römischen Bischofs aus sich [ex sese], nicht aber aufgrund der Zustimmung der Kirche [non autem ex consensu Ecclesiae] unabänderlich.“ (DH, S. 776 Nr. 3074)

Unfehlbarkeit erst ein einziges Mal in der Geschichte genutzt

Die Unfehlbarkeit des Papstes wurde während des Ersten Vatikanischen Konzils (1869/70) zum Dogma erhoben; seit dieser Zeit hat jedoch nur ein Papst in der Geschichte der katholischen Kirche davon Gebrauch gemacht: Dies war im Jahr 1950 als Papst Pius XII. (1939-1958) das Dogma von der leiblichen Aufnahmen Mariens in den Himmel verkündigte.

Als erster und einziger Papst in der Kirchengeschichte machte Pius XII. von der Unfehlbarkeit Gebrauch: Verkündigung des Dogmas von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel (1. November 1950).

Dogmatisierung während Erstem Vatikanum (1869/70)

Schon unter den rund 700 Konzilsteilnehmern war diese Dogmatisierung kontrovers diskutiert worden.

Einberufen hatte dieses Konzil Papst Pius IX. (1846-1878) Im Vorfeld dazu war in der jesuitischen Zeitung Civiltà Cattolica ein Artikel erschienen, dass die wahren Gläubigen Frankreichs auf dem Konzil -ohne Aussprache- die Dogmatisierung der päpstlichen Unfehlbarkeit erwarten würden.

In Bayern beleuchtete Ignaz von Döllinger, ein katholischer Geistlicher und Professor für Kirchengeschichte in München, diese Entwicklung kritisch. Seine Artikel erschienen unter dem Pseudonym „Janus“ in der Augsburger Allgemeinen Zeitung.

Als Pius IX. am 8 Dezember 1870 schließlich das Konzil im rechten Seitenflügel des Petersdoms im Vatikan eröffnete, stand die Unfehlbarkeit zunächst nicht auf der Tagesordnung. Jedoch schaffte es eine kleine Kerngruppe, der z. B. der Bischof Senestrey von Regensburg angehörte, die Unfehlbarkeit zur Abstimmung zu bringen.

Gegner reisen vor Schlussabstimmung ab

Unfehlbarkeit heißt auf lateinisch Infallibilität. Daher werden die Konzilsväter, je nach ihrer Position als Fallibilisten (Anhänger der Unfehlbarkeit) bzw. Infallibilisten (Gegner der Unfehlbarkeit) bezeichnet.

Weil die Gegner der Unfehlbarkeit, die Infallibilisten, nicht gegen das Dokument und so indirekt gegen den Papst stimmen wollten, reisten sie vor der endgültigen Abstimmung vom Konzil ab. Und so wurde die Definition von der Unfehlbarkeit des Papstes vom Konzil angenommen.

Primat wichtiger als Unfehlbarkeit

Im selben Dokument, der dogmatischen Konstitution „Pastor Aeternus“ wie die Unfehlbarkeit findet sich in Kaptitel 3 übrigens auch eine Definiton über den Primat des Papstes. Als Primat versteht man die Vorrangstellung des Papstes in der römisch-katholischen Kirche. Laut dem Dogma von 1870 hat der Papst also nicht nur die absolute Lehrvollmacht (Unfehlbarkeit), sondern auch den Jurisdiktionsprimat. Im besagten Dokument heißt es wörtlich über den Primat:

„Wer deshalb sagt, der Römische Bischof besitze lediglich das Amt der Aufsicht bzw. Leitung, nicht aber die volle und höchste Jurisdiktionsvollmacht über die gesamte Kirche, nicht nur in Angelegenheiten, die den Glauben und die Sitten, sondern auch solche, die die Disziplin und Leitung der auf dem ganzen Erdkreis verbreiteten Kirche betreffen; oder er habe nur einen größeren Anteil, nicht aber die ganze Fülle, [totam plenitudinem] dieser höchsten Vollmacht, sei nicht ordentlich und unmittelbar sowohl über alle und die einzelnen Kirchen als auch über alle und die einzelnen Hirten und Gläubigen; der sei mit dem Anathema belegt.“ (DH, S. 773 Nr. 3064)

Bis heute ist der Primat entscheidender als die Unfehlbarkeit.

Altkatholiken lehnen Primat und Unfehlbarkeit ab

Interessant ist auch, dass der Streit über das Dogma von der Unfehlbarkeit bereits in Zeiten ihrer Definition über Medien ausgetragen wurde.

Bis heute gibt es Katholiken, die diese Konzilsentscheidung nicht anerkennen: Es sind die Altkatholiken, die sich nach dem Ersten Vatikanum von der römisch-katholischen Kirchen abgespalten haben. Wohl einer der größten Kritiker in unserem Raum , Döllinger, fühlte sich trotz Exkommunikation zeitlebens als Mitglied der „alten“, römisch-katholischen Kirche und wurde interessanterweise nicht Altkatholik.

Ausschnitt aus Folge 10 der Doku-Serie „2000-Jahre-Christentum“ über das Erste Vatikanum:

 

Von Wutzelskühn nach Europa… Wie meine Großtante einen französischen Kriegsgefangenen heiratete

17 Okt

Als heute morgen die Post kam, hielt mein Vater ein Kuvert in Händen und sagte: „Ich fürchte, Tante Marie ist gestorben!“ Der Brief bestätigte seine traurige Vermutung.

Mme. Maria Terrasse geb. Winderl + 2011

„Ich übersende diesen Brief an die Adressen, die ich in ihrem Block finde, um diese traurige Nachricht mitzuteilen“, schrieb Papas franzöischer Cousin Patrick – der selber fast kein Deutsch spricht und daher jemanden mit der Übersetzung beauftragen musste. Diese, meine französische Familie war der Grund, dass ich mich in der Schule für Französisch als 3. Fremdsprache entschieden habe. Ich wollte den Kontakt zum französischen Teil der Verwandtschaft nicht abreissen lassen. Und jetzt bin ich wohl am Zug…

Mit einem deutschen Wörterbuch „erobert“

Ich lese die Todesanzeige, die Namen der Kinder und Enkelkinder mit ihren Partnern stehen da und „toute sa famille de Bavière“. Nicht die Familie aus „Deutschland“, sondern aus „Bayern“ trauert um die verstorbene Schwester, Tante und Großtante… Damals, als Maria Anfang der 1950er Jahre nach Frankreich zu ihrem Amédée ging, da war sie die „Deutsche“. Kaum ein Wort französisch hat sie gesprochen, sie, die in einem kleinen Dorf in der Oberpfalz aufgewachsen ist. Dort hat sie den „Franzosen“ getroffen, der als Kriegsgefangener eine Zeit in der Oberpfalz verbringen musste. Ich erinnere mich gut an ihre Worte: „Amédée hat mich mit einem deutschen Wörterbuch erobert.“ Liebe braucht also anscheinend nicht viele Worte!

Amédée holte „die Deutsche“ in sein Dorf

Alle Details über die (verbotene) Liebe des Kriegsgefangenen zu der Bauerntochter kenne ich leider nicht und nun ist es auch zu spät, Tante Maria zu fragen… aber so viel weiß ich, dass wohl nur die wenigsten zurückgekommen wären, um die Freundin und das gemeinsame Kind nach Frankreich zu holen. Erst einige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs – die Tochter von Maria und Amédée konnte schon etwas deutsch sprechen – hat Amédée Maria in sein kleines Dorf, Chas, geholt. So früh es halt ging. Aber für Maria bedeutete dies, ihre Heimat zu verlassen und mit dem Mann, den sie liebte, ins Ungewisse zu gehen. Wir können uns das heute wohl überhaupt nicht mehr vorstellen – keine Flugzeuge, keine E-Mails. Frankreich war für die Oberpfälzer wohl damals wie das Ende der Welt.

„Nach einigen Wochen habe ich mein eigenes Kind nicht mehr verstanden, weil es viel schneller als ich französisch lernte“, erinnerte sich meine Großtante und auch sonst soll die Anfangszeit in Chas alles andere als einfach gewesen sein. Aber wem wäre es zu verdenken gewesen, dass die Franzosen nach dem Weltkrieg schlecht über „die Deutschen“ dachten? Und nun war quasi „der Feind“ in ihrem Dorf…

Als große Europäerin gestorben

Maria lernte französisch, integrierte sich und dachte doch all die Jahre an ihre Verwandtschaft in Bayern. Einige Male war sie zu Besuch in ihrer alten Heimat Wutzelskühn und die bayerische Verwandschaft in Chas. Je älter sie wurde, desto seltener wurden jedoch die Besuche… aber ich bin froh, dass ich sie auch einmal persönlich kennenlernen durfte. Denn diese Frau, meine Großtante Maria ist mein Vorbild: Sie verkörpert für mich gelebte deutsch-französische Freundschaft und auch wenn sie nur als einfache Bauerntochter geboren ist – ist sie für mich als eine große Europäerin gestorben!

RIP Mme Marie

Medienkritik im Korruptionsverdacht gegen Landrat Wölfl – über die Toten nur Gutes

4 Okt

„De mortuis nil nisi bene“, wie der Lateiner sagt. In Bayern heißt es: „Über an Doaden red ma net schlecht“.

Dass man über Verstorbene nicht sagen soll, es sei denn, es ist gut gemeint, das wird meiner Meinung nach im Moment vergessen, wenn die (Lokal)zeitungen über den verstorbenen Landrat Wölfl schreiben.

Der CSU-Landrat von Regen war in der Nacht vom 16. auf 17. August unter mysteriösen Umständen mit seinem Kleinwagen gegen einen Baum geprallt. Es war Selbstmord, wie sich später herausstellte. Die Familie des Verstorbenen hat es über den Pfarrer bei der Beerdigung der Öffentlichkeit mitgeteilt.

Das hätte Familie Wölfl meines Erachtens nicht tun müssen! Auch wenn Wölfl durch sein Amt eine Person des öffentlichen Lebens war, das geht nur die engsten Angehörigen etwas an. An dieser Stelle möchte ich der Familie nicht nur mein Beileid, sondern auch meinen tiefempfunden Respekt für den Schritt ausdrücken, so früh oder überhaupt mit dieser Tragödie an die Öffentlichkeit zu gehen.

Fehler mit dem Leben bezahlt

Für die einen wird er ein „Bazi“ gewesen sein, der seine politische Position ausgenutzt hat. „Typisch CSU“, werden andere auch sagen. Ich sage, es ist völlig irrelevant, von welcher Partei der Regner Landrat war. Denn ich meine, im Tod sind wir alle gleich!

Wölfl war am Ende. Er wusste sich mit  seiner Spielsucht und den damit verbundenen Schulden einfach nicht mehr anders zu helfen. Das ist die Tragik seines Lebens und es ist egal, was er vor dem Tod war. Er hat mit dem Wertvollsten bezahlt, was ein Mensch hat: Mit seinem Leben.

Polizeiliche Ermittlungen werden nach Tod eingestellt

Was erlauben sich die Medien, Details gegen einen Toten in die Öffentlichkeit zu bringen? Damit posthum sein Ansehen und das seiner Familie schmälern, die jetzt ohnehin viel durchmachen muss. Die polizeilichen Ermittlungen werden gegen einen Toten eingestellt. Was bezweckt also jetzt noch eine Berichterstattung? Warum beschweren wir uns über die Bildzeitung, wenn selbst eine Lokalzeitung nicht weiß, was Medienethik ist?

Dass wir uns nicht falsch verstehen, ich heisse keineswegs gut, wenn Wölfl in seinem Amt korrupt war. Viel früher hätte er professionelle Hilfe suchen sollen – so hätte er auch gerade seiner Familie viel Leid erspart. Aber ich gebe ihm nicht allein Schuld an seinem Versagen. Plötzlich wissen viel etwas über Wölfl – sagen gegen ihn aus, vielleicht um die eigene Haut zu retten? Aber warum haben sie ihm nicht geholfen? Wollten sie ihm vielleicht gar nicht helfen?

Den Toten zu Ruhe kommen lassen

RIP Heinz Wölfl – ruhe in Frieden! Auch die Angehörigen sollen endlich zur Ruhe kommen dürfen. Daher würde ich mir wünschen, dass die Medien den antiken Spruch beherzigen würden. De mortuis nil nisi bene“ meint ja nicht, dass man sich Unwahrheiten ausdenken und Gutes schreiben muss, wenn man nichts Gutes schreiben kann. Es heißt für mich in die Jetzt-Zeit übersetzt, dass die Medien schauen sollen, wann Berichterstattung noch sinnvoll ist oder den Toten ihre Ruhe gönnen.